ERASMUS+ beim Wiener Wiesenthal Institut

J. Kornmüller

11.11.2023

Auf Einladung von PD Dr. Jochen Böhler, dem Direktor des renommierten Wiener Wiesenthal Instituts (VWI), der selbst seine Schulzeit auf dem MPG verbracht hatte (Abitur 1989), waren 14 Schülerinnen und Schüler des Max-Planck-Gymnasiums  im Rahmen des Erasmus+-Programms in Wien zu Gast. Dort haben sie sich intensiv mit dem Reichspogrom im November 1938 und den dabei gegen die jüdische Bevölkerung ergriffenen Terrormaßnahmen beschäftigt. Besonders im Fokus stand dabei der Notarrest in der Karajangasse: In ihm wurden die Gegner der Nationalsozialisten inhaftiert, misshandelt und getötet. Viele wurden von dort in Konzentrationslager deportiert.

Montag: Um das jüdische Leben in der Vergangenheit und der Gegenwart ging es im Jüdischen Museum Wien, um so ein Grundverständnis der Jugendlichen für die folgenden Workshops zu schaffen. Der erste fand im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) zum Verlauf des Pogroms vom 9. 11. 1938 in Österreich statt.

Dienstag: Die bisher erarbeiteten Ergebnisse wurden durch eine objektbezogene Führung durch Wiens weltberühmten Vergnügungspark erweitert. Unter dem Titel „Ein Raubzug durch den Prater“ wurde gezeigt, wie im Rahmen der sogenannten Arisierung die jüdischen Unternehmer um ihr Eigentum gebracht wurden. Dabei waren auch die Schülerinnen und Schüler unserer österreichischen Partnerschule, dem „Gymnasium am Augarten“.

Gemeinsam mit ihnen haben die MPG-Jugendlichen zwei jüdische Mädchen von der Organisation LIKRAT befragen können, die von ihrem Alltag erzählt haben. Sie beklagten einen nach dem 7. Oktober massiv angewachsenen Antisemitismus, der sie dazu zwinge, ihr Judentum stärker zu verbergen. Vor allem gaben sie aber viele bisher unbekannte Einblicke in deren Alltag, Schulleben und Religion, wobei sich viele Gemeinsamkeiten mit den Fragenden zeigten. Insgesamt war es ein sehr wertvolles Gespräch, das die Möglichkeit bot, Fremdheit und Vorurteile abzubauen.

Im Keller des „Gymnasiums am Augarten“ gab es eine von der Lehrerin Sarah Leitgeb durchgeführte Führung durch die Ausstellung über den Notarrest, in dem in den Jahren 1938 - 1939 Juden und politische Gegner der Nationalsozialisten misshandelt wurden. Anregungen zur Überarbeitung der seit vier Jahrzehnten bestehenden Ausstellung zu geben, sollte am nächsten Tag auf dem Programm stehen.

Zuvor rundete aber ein bewegender Dokumentarfilm den als zweitägige Einführung geplanten Komplex „Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung“ ab. Zwei Freundinnen, die gemeinsam den Holocaust überlebt hatten, erzählen darin über ihre Deportation, Ghettoisierung, Zwangsarbeit, KZ-Internierung, ihr Überleben und ihre Rückkehr nach Wien. Besonders war die Vorführung auch, weil die Regisseurin Angelika Brechelmacher und der Sohn der einen Überlebenden gekommen waren, um Fragen zu beantworten.

Mittwoch: Nun ging es ins Simon Wiesenthal Archiv. Wiesenthal war der bekannteste „Nazi-Jäger“ der Welt und versuchte, nachdem er viele Konzentrationslager überlebt hatte, untergetauchte Täter der Gerechtigkeit zuzuführen. Mehrere hunderttausend Dokumente trug er dafür zusammen. Er war z. B. an der Auffindung von Adolf Eichmann, dem Organisator des Holocausts, und des Polizisten, der Anne Frank und deren Familie verhaftet hatte, beteiligt. Die Quellenarbeit, die den ganzen Tag in Anspruch nahm, beschäftige sich mit der Misshandlung der jüdischen Gefangenen im Notarrest Karajangasse. Besonderer Schwerpunkt: Die Rechtfertigungsstrategien, mit denen Täter nach Kriegsende sich einer gerechten Strafe zu entziehen versuchten und dabei selbst als Opfer darstellten.

Inzwischen war auch der größte österreichische Privatsender auf unser Projekt aufmerksam geworden: Ben, Moritz und Leonard wurden am Vorabend des Gedenkens zum 9. November über unsere Projektfahrt und das Ausmaß des Antisemitismus an unserer Schule interviewt.

Donnerstag: Mit dem Besuch in der Gedenkstätte Mauthausen rückte zu Abschluss noch einmal die Biografie von Simon Wiesenthal in den Mittelpunkt, der in dem größten Konzentrationslager auf österreichischem Boden inhaftiert war. Dort wurden von den ca. 200.000 Inhaftierten 100.000 umgebracht. Zu sehen waren u. a. der für Sklavenarbeit genutzte Steinbruch, Teile des Barackenlagers, die Gaskammer und Krematorien und die Genickschussanlage. „Man kann sich trotzdem gar nicht vorstellen , wie es damals war. Wo ich jetzt sitze, wurden Menschen erschlagen“, äußerte ein Schüler. Auch diesen Programmpunkt, der aus einer Führung und einem Workshop bestand, haben wir mit den Schülerinnen und Schülern des „Gymnasiums am Augarten“ zusammen erlebt.

An einer öffentlichen Gedenkveranstaltung zum 9. November  haben wir nicht teilgenommen, weil es die Sicherheitslage nicht zuließ. Am Tag zuvor waren sieben Bombendrohungen gegen Wiener Schulen eingegangen. Die unsichere Situation infolge des Konfliktes in Nahost bestand ja ohnehin.

Freitag: Ein letztes Mal waren wir im SWI: Nun wurde die Projektwoche evaluiert. Großes Lob gab es für das von Philipp Rohrbach erstellte herausragende Programm, das er mit Andreas Filipovic so hervorragend umgesetzt hat, dass es für die Teilnehmer eine unvergessliche Woche war. Großen Dank ging auch an Dr. Jochen Böhler für die Einladung und die Bereitstellung der Ressourcen sowie Frau Dr. Keuthen für die hervorragende Organisation. Es war ein umfassendes und anspruchsvolles Programm, das aber genug Freizeit ließ, um eine der schönsten Städte Europas zu erkunden. Ein Besuch im Burgtheater, der renommiertesten Bühne im deutschsprachigen Raum, rundete eine ereignisreiche Woche ab.

IMG_2338.jpeg
IMG_2338.jpeg
IMG_2296.jpeg
IMG_2296.jpeg
IMG_2293.jpeg
IMG_2293.jpeg
IMG_2242.jpeg
IMG_2242.jpeg
IMG_2220.jpeg
IMG_2220.jpeg
IMG_2173.jpeg
IMG_2173.jpeg
IMG_2186.jpeg
IMG_2186.jpeg
IMG_2156.jpeg
IMG_2156.jpeg
IMG_2152.jpeg
IMG_2152.jpeg
IMG_2142.jpeg
IMG_2142.jpeg
IMG_2135.jpeg
IMG_2135.jpeg
IMG_2111.jpeg
IMG_2111.jpeg
IMG_2454.jpeg
IMG_2454.jpeg
Software-Schnellzugriff
undefined
Schulmanager
undefined
Moodle
home button Startseite